In Hamburg gibt es wenig Licht, sagt Krista Beinstein, die ich abends im Hamburger Stadtteil Sankt Pauli treffe. Für das Leben in der Nacht ist die Künstlerin bestens vorbereitet: Sie zieht zwei Beutel Schwarztee und ein Buch aus ihrem Rucksack. Mit dem Aufschlagen ihres siebten Fotobandes
Isaac & Pascalbeginnt eine Reise in eine Welt der Subversionen.
Die Blutgräfineingesetzt hat; es ist kein Theaterblut, das da zu sehen ist. Ob man beim Anblick ihrer Fotos dennoch lachen dürfe, frage ich.
Klar, sagt Krista – ihre Karriere begann schließlich mit Performances, die Titel wie
Kabinett Vagina dentataund
Clownerietragen.
Portrait, Landschaft, Aktwurde 1980 im Amerlinghaus ausgestellt. Ich habe Frauenportraits in Schwarz-Weiß gezeigt, die geradezu romantisch waren. Später begann ich ,verbotene’ Phantasien in Bilder umzusetzen und die öffentlichen Reaktionen darauf haben sich dementsprechend verändert. Die ausgestellten Bilder wurden teilweise sogar zerstört.
Porno-Jäger" Egon Humer zeigte die VerlegerInnen unter dem Vorwand der Gewaltverherrlichung an, aber auch in Deutschland erhielt ich eine Anzeige unter dem Motto:Ist ein Dildo ein Glied oder ein erigierter Penis?Vor Gericht wurde das Buch seitens des Verlags mit dem Argument verteidigt, dass es sich dabei um eine Milieustudie handle und infolgedessen wurde der Anklagepunkt der Gewaltverherrlichung fallengelassen. Da die deutschen Gerichte entschieden hatten, dass ein Dildo kein Penis ist, kamObszöne Frauennicht auf den Index, andernfalls hätte man dieses Buch nicht käuflich erwerben können.
Während meinen AusstellungenIst die Scham vorbeiundIm Rausch der Triebewurden meine Fotos heruntergerissen – ich habe sie eigenhändig wieder aufgehängt – und dies wurde dann auch noch beklatscht! Die Gegnerschaft kam aus den eigenen Reihen: Anstatt mit mir zu reden, haben konservative FeministInnen meine Bilder unter dem Vorwand, dass sie patriarchalisch seien, zerstört. Viele ,Alt-FeministInnen’ betrachten meine Arbeiten noch heute mit großer Skepsis. In Deutschland merke ich, dass viele, die meinen Arbeiten früher sehr kritisch gegenüberstanden, sich heute sogar bei mir entschuldigen. FeministInnen in meinem Alter, die sich nicht weiterentwickelt haben – ich bin 1955 geboren – führen tatsächlich noch Diskussionen darüber, ob ein Interview mit mir in einer feministischen Zeitschrift abgedruckt werden kann. Ich nenne diese Form des Feminismus ,beige’.
Würdest du dich als FeministIn bezeichnen?
Ich mag Schubladen nicht! Ich bin nicht nur FeministIn, ich bin ein Schwuler, eine Lesbe und auch ein heterosexueller Mann und eine heterosexuelle Frau, ich bin alles, aber alles im Zusammenhang mit Frauen! In den Achtziger Jahren habe ich mich besonders gerne als pervers bezeichnet, im Sinne von: Ich bin nicht lesbisch, ich bin nicht schwul, ich bin pervers! Ich habe gesagt, dass ich Sex mit allen habe, die Lust dazu haben, aber mein Herz gehört den Frauen! Feminismus konnotiert semantisch das Feminine sehr stark, mir geht es jedoch viel mehr um Emanzipation von Rollen, die Frauen gesellschaftlich zugeschrieben werden – dasselbe gilt übrigens auch für Männer. Ich bin generell der Meinung, dass Menschen sich emanzipieren sollen!
Emanzipation umfasst für mich auch die Dimension der Befreiung aus nicht selbst gewählten Verhältnissen der Knechtschaft. Dieser Anspruch ist nicht mit allen Formen des Feminismus vereinbar...
Feminismus ist für mich der Versuch, in einer patriarchalen Gesellschaft einen autonomen Lebensentwurf zu verwirklichen. Für andere heißt Feminismus, möglichst viele Kinder oder Orgasmen oder beides zu kriegen. Ich will nicht die Dildos vernichten, sondern die Auswirkungen patriarchaler Strukturen wie Sexismus und Unterdrückung. Das heißt nicht, dass Sex deshalb keinen Spaß machen darf! Für mich ist Sexualität eine Form der Lebenskunst und infolgedessen immer schon mehr nur als eine körperliche Handlung. Sexualität an sich hat mit Macht zu tun, dominante und devote Seiten stecken in uns allen – wir sollten sie nicht tabuisieren, sondern uns ihnen zuwenden und sie füreinander entdecken!
Danke für das Gespräch!
Mehr Informationen zur Arbeit von Krista Beinstein finden Sie hier*in gekürzter Fassung erschienen in Unique 2/2011, S. 8