Comic-Kolumne
Sex-Worker-Outlaw-Shine
erschienen in: UNIQUE 6/2009
Michelle Teas und Laurenn McCubbins Graphic Novel Rent Girl erzählt nicht eigentlich von einem Lebensabschnitt, es ist ein Arbeitsjournal in Zeiten sich verschlechternder Studienbedingungen und der damit verbundenen Prekarisierung. Zu Beginn der Story hat die Ich-Erzählerin ihr neunzehntes Lebensjahr vollendet und verliebt sich in eine Studienkollegin, deren bislang gut gehütetes Geheimnis bald zum eigenen wird: Seit über zwei Jahren verdient Michelles Freundin Marina ihr Geld mit professioneller Sexarbeit. Marina wird von ihr mit den Regeln des Gewerbes vertraut gemacht und lernt bald, wie man sich zwecks Akquise als „Baby-Bitch“ zu kleiden hat. Was folgt, sind tägliche In- und Outcalls von Freiern, Escort-Parties in Hotels und mobile Sex-Dienste im Umkreis von Massachusetts – Umstände, die das lesbische Paar dennoch keine Sekunde zögern lässt zu Pro-Abortion-Demos zu gehen und die Pornohefte ihrer Freier heimlich mit „Queer-Nation“-Aufklebern zu verzieren.
Weder in der Beschreibung ihres eigenen Alltags noch in der Darstellung ihrer Kunden nimmt Michelle Teas Erzählerin sich ein Blatt vor den Mund. Vergewaltigung steht an der Tagesordnung, Alkoholabhängigkeit und Kokainsucht sind nur unzureichende Versuche, Ereignisse dieser Art zu verdrängen. Am Ende kommt dennoch alles anders: Als Michelle eines morgens ihren Wodka auf einer Tankstelle leert, trifft sie eine, die ihr Leben schlagartig ändern wird. Sie verliebt sich in die vormals drogensüchtige Eleonore und zieht mit ihr in das queere Viertel von San Francisco. Gemeinsam beginnen die beiden ein Pornomagazin herauszugeben, das anders ist als das, was ihre Freier ansonsten lesen. Damit wollen sie ein Stück weit auf die Arbeitsbedingungen in der Sexindustrie einwirken.
Michelle Tea und Laurenn McCubbin: Rent Girl. San Francisco: Last Gasp 2005