Interviews
"Mit einem Besen eine Schraube öffnen"
Ein Gespräch mit David Staretz*
Wer zufällig einen Blick in die Auslage des Kontor Staretz in der
Wiener Liechten – steinstraße wirft, wird sich wahrscheinlich wundern. Diese von
David Staretz betriebene „Galerie ohne Gewähr“ beherbergt weder Gebrauchs- noch
Kunstobjekte; zu sehen sind dort von Schmetterlings-Attrappen umkreiste
Ping-Pong-Bälle oder Pendeluhren mit wippenden Federn – kleine, filigrane
Maschinen, die sich der Schwerkraft nicht fügen.
Technik, Fortschritt, (Selbst-)Optimierung – in den Gesellschaftsentwürfen von Karl
Marx bis zu Lewis Mumford wurden Maschinen mit diesen Begriffen assoziiert;
sie fügen sich ein in die Logik reibungslosen Funktionierens, regulieren
selbsttätig Widerstände und erbringen mit erstaunlicher Konstanz stets dieselbe Leistung.
Gilles Deleuze sah in der Idee der Maschine ein Pendant zu den erratischen Blöcken der Philosophiegeschichte, der Schweizer Kunsttheoretiker Harald Szeemann
die einzelgängerischen Outputs, die von Dada bis Duchamp die Kunstgeschichte bevölkern.
Diese „Junggesellenmaschinen“ wollen nichts produzieren, sie bringen nichts hervor, verbrauchen nur Strom, verschwenden Energie – so wie David Staretz Artefakte.
Seine erste Maschine hat er vor vierzehn Jahren in einem Akt des Zufalls erschaffen. Mit Barbara Eder hat er über die
Tragik des Funktionierens, die Poesie des Scheiterns und die Beseeltheit des
Anorganischen gesprochen.
In der Kunstgeschichte ist die Idee von einer Maschine, die sich selbst bewegt, weit verbreitet, die Ingenieurwissenschaften hingegen verbinden damit ein auf Effizienz und Funktionieren ausgerichtetes Ding. Welche Idee steckt hinter deinen Maschinen?
Die Erfindung meiner ersten Maschine war reiner Zufall und der Zufall
ist auch das bestimmende Element für die Bewegung meiner Maschinen. Wenn ich
eine neue Maschine zu bauen beginne, dann weiß ich nicht genau, wie sie
aussehen, wie sie sich bewegen wird. Da steckt eher die Idee dahinter zu
beobachten, wie sich die Maschine entwickelt und weniger die Herstellung eines
kalkulierbaren Endprodukts. Mich interessiert die Idee der befreiten Bewegung,
die Bewegungen meiner Maschinen sind niemals gleich, sie scheinen ein
Eigenleben zu führen. Und natürlich gibt es auch die Möglichkeit des
Scheiterns: Manchmal fängt eine Maschine zu rattern an und gerät vollständig
außer Kontrolle. Wenn sie technisch nicht funktioniert, hat dies durchaus
produktive Seiten: es entstehen neue Bewegungen.
Woher kommt dein
technisches Geschick?
Während meiner Zeit in der HTL Steyr habe ich gelernt wie man
gebrauchsfertige Maschinen herstellt; mich aber hat es interessiert wie man mit
einem Besen eine Schraube öffnet. Dass die sogenannte funktionierende Technik
nicht immer ihren Zweck erfüllt, habe ich bei einem Nachhaltigkeitsprojekt im
Niger sehr genau beobachten können. Die europäischen Landarbeitsmaschinen
funktionieren dort nicht und es ist blanker Hohn ihren Export als ,Entwicklungshilfe’ zu bezeichnen. Sobald Sand ins
Getriebe kommt – und das ist in der Sahara nichts Ungewöhnliches – funktionieren sie nicht und man kann sie
auch nicht reparieren. Die Leute vor Ort – insbesondere die Frauen – haben ganz
andere Formen des Technikgebrauchs entwickelt, die wissen, wie’s ohne die
europäischen Importe geht.
Du benennst deine
Maschinen nicht, du gibst ihnen nur Nummern...
Manche Menschen versuchen krampfhaft meine Objekte in Kategorien
hinein–zuzwängen, ich halte davon aber nicht viel. Wie du sehen kannst, benutze
ich auch gerne organische Elemente wie Federn und Blüten. Dahingehend hat mich die
Künstlerin Rebecca Horn inspiriert...
Einige Maschinen hier im Kontor sind ganz schön laut, eigentlich Tonkünstler...
Ja, manche haben einen besonderen Sound...(David Staretz steckt eine
besonders laute Maschine wieder aus). Ein mit mir befreundeter Künstler hatte
mal die Idee ein Maschinenorchester zusammenzustellen – aber eigentlich ist
auch das keine neue Erfindung...
Danke für das Gespräch!
Zum Kontor Staretz
geht es hier
*Originalbeitrag, gekürzte Version erschienen in: Unique 04/2009, S. 13